Abschiebung und Gesundheit

Abschiebungen werfen aus menschenrechtlicher und gesundheitlicher Perspektive viele Fragen auf. Abschiebungen und deren Androhung können die Gesundheit und manchmal sogar das Leben der betroffenen Personen gefährden. Das gilt insbesondere für besonders schutzbedürftige Gruppen wie traumatisierte Personen und Menschen, die mit Einschränkungen oder schweren chronischen Erkrankungen leben, Kinder und Jugendliche sowie schwangere Frauen.

Angst und existentielle Unsicherheit sind ständige Begleiter von vor Abschiebung bedrohter Personen. So genannte „geduldete“ Geflüchtete müssen teilweise jahrelang fürchten, abgeschoben zu werden. Das kann zu schwerwiegenden psychischen und gesundheitlichen Folgen führen. Ihr unsicherer legaler Status zieht eine Reihe von strukturellen Diskriminierungen nach sich. Diese Zeit der dauernden Unsicherheit ist ein erheblicher Stressfaktor für Geflüchtete und kann zu psychischen Störungen bis hin zur Selbstgefährdung führen. Wichtige Heilungsprozesse werden erschwert oder immer wieder zunichte gemacht.

Als staatlich legitimierter Gewaltakt und Zwangsmaßnahme stehen Prinzip und Praxis von Abschiebungen auch grundsätzlich in einem schwierigen Spannungsverhältnis zum staatlichen Auftrag, die Würde des Menschen zu schützen.

Abschiebung trotz Krankheit?

Schwer erkrankte Menschen dürfen nicht abgeschoben werden, wenn droht, dass sich dadurch ihr Gesundheitszustand "wesentlich verschlechtern" oder sogar ihr Leben in Gefahr geraten würde. Dies muss als "gesundheitsbezogenes Abschiebehindernis" im Asylverfahren von der geflüchteten Person geltend gemacht werden. Dafür bedarf die Person einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung, Attests oder Gutachtens durch ein*e entsprechende Fachärzt*in.

Es gibt im Aufenthalts- und Asylgesetzgebung keine allgemeine gesetzliche Regelung bezüglich stationär behandlungsbedürftiger Patient*innen. Allerdings gibt es inzwischen in vier Bundesländern Regierungserlasse oder ähnliches, die Abschiebungen im Kontext stationärer Behandungen stark einschränken oder verbieten. Denn Abschiebungen sind Ländersache. In Thüringen, Rheinland-Pfalz, Berlin und Schleswig-Holstein gibt es entsprechende Verbote oder Einschränkungen.

Seit den 2010er Jahren hat der Gesetzgeber immer restriktiver ausgelegt, was als schwerwiegende Erkrankung gilt und wann gesundheitsbezogene Abschiebehindernisse vorliegen. Gesundheitliche Gründe gegen eine Abschiebung anzubringen, wurde seitdem wesentlich erschwert. So gilt eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) heute nicht mehr als grundsätzlich schwerwiegende Erkrankung. Andere Traumafolgestörungen bleiben unerfasst. Der Zugang zu Attesten und Gutachten im Asylverfahren wurde erschwert. Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendtherapeut*innen dürfen diese nicht mehr ausstellen. Eine Checkliste der IPPNW soll Ärzt*innen bei der Verfassung von Stellungnahmen helfen.

Klinikpersonal in Abschiebesituationen

Die Abholung von Patient*innen aus Krankenhäusern und Kliniken durch die Polizei zwecks Abschiebung stellt für die Betroffenen eine massive Stresssituation dar und verunsichert und belastet auch Mitpatient*innen und Beschäftigte. Der Umgang mit Polizei und Ausländerbehörde kann Klinikpersonal im Arbeitsalltag überfordern. Parallel zu der Meldestelle stellen wir daher Materialien für medizinisches Personal zur Verfügung, die über das Thema aufklären und Hilfestellungen geben.  

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